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26 Aug 2019, 11:52 am
Am 22. August 2019 hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz den lang erwarteten Referentenentwurf zur Sanktionierung von Unternehmen vorgestellt: den Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes.
Die Parteien der Koalitionsregierung hatten sich im März 2018 darauf geeinigt, Wirtschaftskriminalität wirksam zu verfolgen und Unternehmen stärker zu sanktionieren, die von Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter profitieren. Insbesondere sollten das Opportunitäts- durch das Legalitätsprinzip ersetzt und die Obergrenze für Geldbußen angehoben werden. Die Koalition plante außerdem, interne Untersuchungen zu regeln und Anreize zur Aufklärungshilfe und Offenlegung von Untersuchungsergebnissen zu setzen.
Dieses Programm soll der Referentenentwurf nun umsetzen: Er sieht Zumessungsregeln für Verbandssanktionen vor und setzt Anreize für Investitionen in Compliance und für die Aufklärung von Straftaten. Die Einleitung eines Verfahrens wird nicht mehr im Ermessen der Strafverfolgungsbehörden stehen. Auch ermöglicht der Gesetzentwurf die Verfolgung von Verbandsstraftaten im Ausland.
Sanktioniert werden sollen Unternehmen (Verbände), wenn entweder eine Leitungsperson eine Verbandsstraftat begangen hat oder jemand in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Unternehmens eine Verbandsstraftat begangen hat und Leitungspersonen die Straftat durch angemessene Vorkehrungen hätten verhindert oder wesentlich erschwert werden können.
Der Entwurf sieht drei Arten von Verbandssanktionen vor: die Verbandsgeldsanktion, die Verwarnung mit Sanktionsvorbehalt und, falls erhebliche Straftaten beharrlich begangen wurden und die Gefahr von Wiederholungstaten besteht, die Auflösung des Verbands.
Die Höhe der Geldsanktion kann bis zu EUR 10 Mio. betragen. Für einen Verband mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als EUR 100 Mio. kann die Geldsanktion bis zu 10 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen. Bei der Bemessung einer Sanktion sollen insbesondere berücksichtigt werden das Bemühen des Verbands, die Straftat aufzudecken und den Schaden wiedergutzumachen, und (nach der Tat) getroffene Vorkehrungen, die künftig Straftaten vermeiden und aufdecken sollen.
Eine Verwarnung mit Sanktionsvorbehalt kann das Gericht mit Auflagen und Weisungen verbinden. Auflagen können Schadenwiedergutmachung oder die Zahlung eines Geldbetrags sein. Das Gericht kann den Verband auch anweisen, bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten zu treffen und diese Vorkehrungen nachzuweisen.
Bei einer großen Zahl von Geschädigten kann das Gericht anordnen, dass die Verhängung einer Verbandssanktion veröffentlicht wird.
Verbände haben im Sanktionsverfahren die Stellung von Beschuldigten im Sinne der Strafprozessordnung. Ihre gesetzlichen Vertreter haben ein Aussageverweigerungsrecht.
Der Gesetzentwurf verweist auf Einstellungsmöglichkeiten nach der Strafprozessordnung. Dazu zählen insbesondere die Einstellung wegen Geringfügigkeit, unter Auflagen und Weisungen (siehe oben) oder bei schweren Folgen für den Verband. Darüber hinaus kann von der Verfolgung auch vorläufig abgesehen werden, wenn zu erwarten ist, dass im Ausland wegen der Tat eine Sanktion gegen den Verband verhängt wird.
Das Gericht kann die Verbandssanktion mildern, wenn der Verband oder beauftragte Dritte die Tat im Rahmen einer internen Untersuchung aufgeklärt, mit den Verfolgungsbehörden kooperiert und die Untersuchungsergebnisse sowie ihre Grundlage offengelegt haben. Die Verteidiger des Verbandes kommen nicht als beauftragte Dritte in diesem Sinne in Betracht. Interne Untersuchungen können nur dann sanktionsmildernd berücksichtigt werden, wenn es sich um ein faires Verfahren handelte, also befragte Personen umfassend aufgeklärt wurden, sie einen Rechtsbeistand hinzuziehen konnten und ihnen ein Auskunftsverweigerungsrecht eingeräumt wurde.
Vorgesehen ist auch ein Verbandssanktionenregister, in das rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen über die Verhängung von Verbandssanktionen und rechtskräftige Entscheidungen über die Verhängung einer Geldbuße von mehr als EUR 300 eingetragen werden.