Daten lassen sich auf vielfältige Weise nutzen: Sie können die Grundlage dafür sein, unternehmerische Ziele effizienter zu erreichen, sie können eine Ressource sein, mit der neue Geschäftsfelder entwickelt werden können, sie können aber auch zu einem Problem werden, da mit Ihnen ein regulatorisches Risiko einhergehen kann.
Einige Unternehmen beziehen Daten inzwischen in ihre Gewinn- und Verlustrechnungen ein, und datenintensive Unternehmen erzielen Bewertungen, die weit über denen ihrer nicht datenorientierten Konkurrenten liegen. Die erfolgreichsten Unternehmen werden letztlich jedoch diejenigen sein, die Daten als einen Vermögenswert behandeln; als etwas ebenso Greifbares und Wichtiges wie Bargeldreserven, Inventar und geistiges Eigentum.
Doch noch immer betrachten viele Unternehmen Daten als etwas Peripheres, das nicht zu ihrem Kerngeschäft gehört. Die Wahrheit ist jedoch, dass die Art und Weise, wie Daten genutzt werden, ein Unternehmen und seinen Wert grundlegend verändern kann.
Robin Sutara
Microsoft
Die Konkurrenz wird Sie abhängen, weil sie bereits eine datenorientierte Kultur hat.
Mit dem nötigen Know-How und Investitionen können Daten die Art und Weise verändern, wie ein Unternehmen funktioniert und den Bedürfnissen seiner Kunden begegnet. Daten können den Wert eines Unternehmens steigern und es für Käufer oder Investoren attraktiver machen.
„Viele Unternehmen beginnen, Daten als einen Vermögenswert zu betrachten“, so Robin Sutara, Chief Data Officer bei Microsoft in Großbritannien. „Sie nutzen sie, um ihr Geschäft umzugestalten, während sie auf den Brexit, die Pandemie und die von ihnen verursachten Lieferkettenprobleme reagieren. Einige führen sie sogar in ihren Gewinn- und Verlustberechnungen auf, weil sie einen monetären Wert aus ihren Daten ableiten.“
Laut Sutara nutzen Unternehmen Daten für eine Vielzahl von Zwecken: „Sie verändern die Art und Weise, wie sie mit ihren Kunden in Kontakt treten; sie geben ihren Mitarbeitern mehr Möglichkeiten; sie verändern ihre internen Prozesse, von der Lieferkette bis hin zur Erbringung von Dienstleistungen.“ Sutara sagt auch, dass Unternehmen anfangen, darüber nachzudenken, wie sie neue Produkte und Dienstleistungen schaffen und entwickeln, indem sie Daten als Aktivposten nutzen. „Und sie stützen sich auf Daten, wenn sie über Nachhaltigkeitsziele entscheiden, da die Frage, wie das Unternehmen in Bezug auf seine Umweltauswirkungen positioniert ist, Teil jedes Vorstandsgesprächs wird.“
Sutara rechnet damit, dass viele Unternehmen Maßnahmen ergreifen werden, um ihre Datennutzung zu verbessern. Später könnten sie sich dann zu ihren Fortschritten beglückwünschen. Das größte Wettbewerbsrisiko gehe allerdings weniger von anderen etablierten Unternehmen aus, sondern eher von Unternehmen, die von Anfang an datenorientiert waren: „Die Konkurrenz wird Sie hinter sich lassen, weil sie bereits eine datenorientierte Kultur hat, insbesondere die neueren Unternehmen, die in der Cloud geboren sind“, so Sutara. „In den letzten Jahrzehnten gab es klare Beispiele dafür, wie Unternehmen, die die Macht ihrer Daten nutzen, viel schneller vorankommen als solche, die nichts unternehmen. Beispielsweise Uber im Vergleich zu traditionellen Taxis."
Die Erkenntnis, dass das eigene Unternehmen nicht genug aus seinen Daten macht, ist eine Sache, aber wie wird man zu einem datengesteuerten Unternehmen, das den gesamten Wert der Daten ausschöpft? Sutara: „Man muss bei den Menschen und der Kultur anfangen.“
Es gehe nicht nur um Technologie, sondern auch um Menschen und Prozesse. „Sie müssen sich damit auseinandersetzen, wie Sie sicherstellen, dass Ihr Unternehmen den Wert der Daten erkennt, über die Qualität der Daten nachdenkt, die in das System einfließen, die Investitionen in die Datenqualität misst und diese in Wert umsetzt.“ Die Datenkultur sei der schwierigste Teil der Umstellung in jedem Unternehmen. Es gehe darum, die Menschen dazu zu bringen, ihre Arbeitsweise zu ändern. „Und das ist schwer“, so Sutara.
Es ist von entscheidender Bedeutung, welche Daten auf welche Weise erhoben werden: Es lässt sich kein Nutzen aus Daten ziehen, wenn bei ihrer Erhebung oder Speicherung gegen Vorschriften verstoßen wurde. Zudem ist es aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen heraus unerlässlich, zu gewährleisten, dass Daten aktuell, relevant und genau sind: Mit besseren Daten lassen sich bessere Ergebnisse erzielen.
Sutara weiß, dass die Umstellung für etablierte Unternehmen entmutigend sein kann, und dass die Versuchung, sich Veränderungen zu widersetzen, bis alles perfekt ist, groß ist. „Der wichtigste Ratschlag für Unternehmen lautet: Sie werden nicht alle Probleme mit einer einzigen Technologie- oder Datenlösung beheben können. Fangen Sie also klein an, identifizieren Sie einen geschäftlichen Anwendungsfall, einen Kundennutzen, den Sie bieten können, einen Mitarbeiterprozess, den Sie automatisieren können. Jedes Unternehmen möchte über sexy Themen wie KI, das maschinelle Lernen, die Prozessautomatisierung und all diese Dinge sprechen, aber das Wichtigste ist, dass Sie die richtigen Grundlagen für alle in Ihrem Unternehmen vorhandenen Daten schaffen.“
Wenn Unternehmen sagen, dass sie nichts verändern könnten, weil sie nicht alle Daten auf einer einzigen Plattform oder in einer einzigen Quelle zusammengeführt haben, macht das Sutara Sorgen. Dann erwidert Sie: „Mein Rat ist: Fangen Sie klein an, identifizieren Sie die eine Sache, die Sie in Angriff nehmen können.“
Die Transformation zum Datenunternehmen macht erhebliche Investitionen nötig. In einigen Fällen muss das gesamte Unternehmen neu vernetzt werden. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen ihre Investition schützen, indem Sie sicherstellen, dass Sie Ihre Daten auf eine Weise erfassen, speichern und verwenden, die sie schützt und gewährleistet, dass sie nicht von Konkurrenten genutzt werden können.
„Das kann schwierig sein, insbesondere, da man Daten nicht wirklich ‚besitzen‘ kann“, erläutert Iain Connor, Experte für geistiges Eigentum bei Pinsent Masons. „Sehr oft sind Daten nur eine Tatsache – man kann eine Tatsache nicht besitzen und kontrollieren. Entscheidend ist, wer in die Zusammenstellung der Daten investiert. Das kann Ihnen Rechte in Form von Datenbankrechten und Rechten an vertraulichen Informationen geben, aber diese Rechte hängen davon ab, dass Sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten“, so Connor.
Eine Tatsache kann man nicht besitzen – entscheidend ist, wer in die Zusammenstellung der Daten investiert.
Datenbankrechte geben einem Unternehmen das Recht, Daten, die es mit erheblichem Aufwand gesammelt und geprüft hat und auf aktuellem Stand halten will, exklusiv zu verwerten. „Wenn eine Datenbank nicht gepflegt, verwaltet und aktualisiert wird, untergräbt dies Ihre Fähigkeit, sie kommerziell zu nutzen“, so Connor.
Vertraulichkeitsrechte bieten zusätzlichen Schutz für Daten, verpflichten das Unternehmen, das die Daten nutzt, zugleich aber auch dazu, die Informationen vertraulich zu behandeln. Wenn die Daten von einer anderen Person freigegeben oder rechtmäßig erlangt werden, ist es kaum möglich, diese daran zu hindern, die Daten zu verwenden.
Entscheidend ist auch, wie die Datenbank entwickelt wurde. Wurde sie intern oder von Auftragnehmern erstellt? Wo wurde sie entwickelt? Nicht jedes Land erkennt die Rechte an Datenbanken an. Wann wurde sie erstellt? Wenn ihr die Daten ausgehen, verliert sie ihren Schutz. Wie wurden die Daten gesammelt? Das kann sich darauf auswirken, wofür sie genutzt werden können. All diese Facetten der Datenerfassung und -speicherung wirken sich unmittelbar darauf aus, wie gut Daten kommerziell genutzt werden könnn.
Dr. Nils Rauer ist Technologie- und Datenexperte bei Pinsent Masons. Er verweist darauf, dass die Allokation des Dateneigentums eine Herausforderung darstellen kann, wenn es darum geht, den vollen Wert von Daten als Vermögenswert auszuschöpfen: „Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Daten mit einer Person oder einem Unternehmen in Verbindung gebracht werden können. Persönliche Daten sind mit einer Person verknüpft. Geschäftsgeheimnisse sind mit einem Unternehmen verknüpft. Banken sind durch das Bankgeheimnis an Daten gebunden.“ All diese Beispiele seien jedoch nicht mit dem Eigentum an einem physischen Gegenstand gleichzusetzen. „Die proprietäre Zuordnung von Daten kann sich überschneiden, wie beispielsweise bei Kundendatenbanken. Diese können Daten enthalten, die personenbezogene Daten sind und zugleich auch dem Datenbankrecht unterliegen. Die Datenbank kann zudem auch Geschäftsgeheimnisse enthalten.“
Dr. Rauer zufolge gehen viele Menschen davon aus, dass das Eigentum an digitalen Vermögenswerten wie Daten schlicht vorausgesetzt werden kann, aber das stimme nicht immer. „Das ist zum Beispiel der Grund dafür, dass bei NFTs (Non Fungible Tokens) in dem in das NFT eingebetteten Vertrag festgelegt werden muss, was der Erwerber damit tun kann und was nicht.“
Laut Technologieexperte Mark Marfé haben all diese Probleme auch betriebliche Auswirkungen. Ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen möchte, dass ein Drittanbieter ein Werkzeug der künstlichen Intelligenz (KI) einsetzt, um seine Fabrik zu optimieren, dann muss es dem Anbieter Zugang zu vielen kommerziell sensiblen und geschützten Daten gewähren – ohne gute Daten wird das KI-Werkzeug keine wertvollen Ergebnisse liefern.
„Einige dieser Daten können von zentraler Bedeutung und höchst vertraulich sein, wie beispielsweise Fabrikdesign und -layout sowie Prozessalgorithmen“, erläutert Marfé. „Der Hersteller wird verständlicherweise den Zugang zu den Daten einschränken wollen, sowohl in Bezug auf das Personal als auch auf den Zweck. Der Zulieferer möchte jedoch die Freiheit haben, in Zukunft an anderen Projekten zu arbeiten, auch für die Wettbewerber des Herstellers. Die Herausforderung für den Hersteller besteht darin, dass die Daten nicht wirklich sein Eigentum sind, sondern dass es lediglich eigentumsähnliche Rechte an ihnen gibt. Der Hersteller muss das ‚Eigentum‘ an den Daten in seinen Vertrag mit dem Lieferanten aufnehmen und aufrechterhalten.
Dies macht eine detaillierte Verwaltung der Art und Weise nötig, wie die Daten verwendet werden, ob sie mit Daten von Dritten kombiniert werden, wo sie gespeichert und verarbeitet werden und welche Beschränkungen für ihre Verwendung gelten.“
Marfé betont zudem, dass ein gewisses Maß an Wissen und Einblicken von Dritten und Lieferanten allein durch den Kontakt mit den Daten erlangt wird. Dies sei unvermeidlich. „Es ist zwar möglich, die Verwendung vertraulicher Informationen einzuschränken, aber man kann die Mitarbeiter des Lieferanten nicht daran hindern, die Fähigkeiten und Kenntnisse zu nutzen, die sie im Laufe eines Projekts erworben haben.“
Umso wichtiger sei es, dass vertrauliche Informationen und Geschäftsgeheimnisse dokumentiert und als vertraulich gekennzeichnet werden.
„Wenn eine der größten Herausforderungen darin liegt, Daten gemeinsam mit Dritten zu nutzen und zu verwenden, ohne die Kontrolle über sie zu verlieren, besteht die Lösung oft in der Einrichtung eines sogenannten Data Trust“, so Andrew McMillan. „Bei einem Data Trust handelt es sich um eine rechtliche Struktur, die eine unabhängige Verwaltung von Daten für einen vereinbarten Zweck ermöglicht – das bedeutet, dass ein Data Trust es Organisationen gestattet, Daten über eine rechenschaftspflichtige, unabhängige Stelle für begrenzte und festgelegte Zwecke auszutauschen. Das überwindet die Barrieren zwischen Organisationen, die Daten nicht direkt miteinander teilen wollen.“
Ein Data Trust überwindet die Barrieren zwischen Organisationen, die Daten nicht direkt miteinander teilen wollen.
Drei Merkmale eines Data Trust sind McMillan zufolge entscheidend: dass es sich um eine juristische Person handelt, dass sie unabhängig ist und dass der Zweck definiert und begrenzt ist.
„In der Vergangenheit fand die gemeinsame Nutzung von Daten nur zwischen zwei Organisationen statt, aber das ist nicht skalierbar“, so McMillan. „Datentreuhandgesellschaften führen Skalierbarkeit ein, die eine gemeinsame Nutzung von Daten in einem bisher unvorstellbaren Umfang ermöglicht. Das macht Daten an sich schon wertvoller, denn sobald man seine Daten mit denen anderer Datenanbieter zusammenführt, kann man den kombinierten Datensatz abfragen und Entscheidungen und Maßnahmen auf der Grundlage des Gesamtbildes treffen, anstatt nur seine eigenen Daten auf einer isolierten Basis zu betrachten.“
Datentreuhandgesellschaften erlauben den Zugang zu Daten – oder begrenzen ihn – auf der Grundlage der vereinbarten Regeln der Treuhandgesellschaft. Dies bedeutet, dass jedem Datennutzer der Zugang nach den spezifischen Regeln des Trusts gewährt werden kann. Es bedeutet auch, dass die Daten nicht tatsächlich an eine andere Organisation übergeben werden müssen. Die Verarbeitung kann erfolgen, ohne dass die Daten jemals das System des Dateninhabers verlassen.
„Die Daten müssen nicht unbedingt an einem zentralen Ort von einem Verwalter aufbewahrt werden“, so McMillan. „Sie können dezentralisiert werden, so dass die Daten nicht die Server des Anbieters verlassen. Die Nutzer können dann die Daten von verschiedenen Orten aus abfragen und ihre Fragen beantwortet bekommen, ohne dass die Daten jemals von einem Server zum anderen wandern."
Ein Data Trust ist nur eine der sich abzeichnenden Antworten auf die Frage, wie Unternehmen ihre Datenbestände besser nutzen können. Daten verändern die Wirtschaft und sind heute der wichtigste Vermögenswert für viele Unternehmen. Diejenigen, die ihre Einstellung zu Daten nicht ändern und versäumen, die bereits vorhandenen Daten zu schützen, laufen Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten.